Fremdes und Eigenes bei Geschlechtern

Fremdes und Eigenes bei Geschlechtern

Genauso wie bei Kulturen wird auch beim Thema Geschlecht viel zwischen Fremdem und Eigenem unterschieden wobei wieder an Klischees und Vorgaben festgehalten wird, um eine Wir-Identität zu bilden und sich vom anderen abzugrenzen. Schon im Kleinkindalter wird uns beigebracht, wie wir uns unserem Geschlecht entsprechend zu verhalten und zu kleiden haben und auch die Aufgaben und Erwartungen, die an uns gestellt werden, richten sich danach, sodass wir diese anerzogenen Muster aufnehmen, bis wir sie später für persönliche Eigenschaften halten. Auch wenn nur geringe biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, werden sie in Gesellschaft und Konsum stark voneinander getrennt und entgegengesetzt. Judith Butler nennt dies „doing gender“ und trennt den kulturell konstruierten ‚gender‘ klar vom biologischen ‚sex‘ (vgl. ebd., 122).

Frauen mit Hochschulreife können frei entscheiden, ob und was sie studieren wollen, scheinbar haben sie also die gleichen Karrierechancen wie Männer, doch schaut man sich mal in einer Informatikvorlesung und in einem Seminar in Mode-Textil-Design um, fällt schnell auf, dass die Frauenquote sehr ungleich verteilt ist. Das liegt nicht daran, dass weibliche Gehirne von Natur aus weniger für naturwissenschaftliches Denken ausgelegt seien, genauso, wie männliche Gehirne genauso fähig für kreatives Denken sind. Das Defizit entsteht erst dann, wenn ein Kind von Eltern oder Institutionen in Bereiche ‚gedrängt‘ wird, die kulturell als zum Geschlecht passend gelten. So werden Mädchen von Anfang an durch Spiele und Aufgaben an kreative und sorgetragende Tätigkeiten gewöhnt und die Erwartungen an sie in naturwissenschaftlichen Bereichen werden nicht so hoch gesetzt, wie an einen Jungen, dem wiederum früh naturwissenschaftliche Themen nähergebracht werden und bewusst gemacht wird, dass beispielsweise Puppenspiele nicht für ihn geeignet seien, sodass er das weibliche Geschlecht als geeigneter für die Kindererziehung ansieht. Es ist folglich kein Wunder, dass sich diese Geschlechterverteilung bis ins Erwachsenenalter fortsetzt und immer weiter festigt. Jedoch werden diese Gender-Muster teilweise gebrochen und transformiert, wenn sich Menschen im Zuge des „Gender Crossing“ oder „Gender Swapping“ (ebd., 122) nicht mehr auf ein Geschlecht samt seinen gesellschaftlich vorgegebenen Klischees festlegen. Zwar bilden diese Vorgaben Normalitätsmuster, die uns helfen, uns so zu geben, wie es gesellschaftlich erwartet wird und um nicht unangenehm aufzufallen, doch genauso wie in den zuvor schon behandelten Kontexten verleiten sie dazu, einzuengen und lassen blinde Flecken entstehen. In Alltag und vor allem Werbung entstehen in unseren Köpfen durch wiederholten, ähnlichen Input Muster dazu, wie ‚der Mann‘ und ‚die Frau‘ in westlichen Kulturkreisen aussehen und agieren sollen. Diese werden perturbiert, sobald man einem „Queer“ (Butler 2005 zit. in ebd., 123) begegnet, dessen Äußeres sich in keine der beiden Geschlechterschubladen einordnen lässt. (vgl. Kolhoff-Kahl 2009, 120-124)

Geschlecht ist also wie Kleidung auch kulturell geprägt und normierend. Wenn man sich dessen bewusst und bereit ist, seine blinden Flecke aufzudecken hat man die Möglichkeit, „Geschlechtsrollen für sich als eigene zu konstruieren“ (Kolhoff-Kahl 2009, 123) und das immer neu, ohne sich wieder in Stereotypen festzufahren. Das soll nicht bedeuten, dass jeder zum Transvestiten werden soll, vielmehr, wie unter Kapitel 4.2.1 beleuchtet, nicht von vornherein verschlossen gegenüber dem Fremden zu sein, sondern ihm mit Akzeptanz zu begegnen, seine Muster daran zu reflektieren und Zwischenräume für neue Möglichkeiten und neue Schönheits- bzw. Körpermuster zu öffnen.

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