Parasitieren und Infizieren

Parasitieren und Infizieren

So wie in der Biologie Parasiten und Viren einen Organismus angreifen, können auch „künstlerisch parasitäre Strategien“ (Kolhoff-Kahl 2009, 150) das ästhetische Empfinden befallen und umkrempeln. Dringt ein Virus in eine biologische Zelle ein, überlebt er solange er sich darin ausbreiten kann und dabei verändert er sie. Dann ist es Aufgabe des Immunsystems, den Virus zu bekämpfen, indem es Antikörper bildet und auf diese Weise den Organismus immunisiert, sodass er bei einem erneuten Befall besser gegen diesen Virus abgehärtet ist und überleben kann. Bei ästhetischen Infekten verhält es sich ähnlich. Auch hier soll das „ästhetische“ Immunsystem zur Veränderung angeregt werden, indem sich etwas Ungewohntes in die bestehenden Wahrnehmungsmuster einschleicht und dieses stört. Das Prinzip entspricht dem der Perturbation, die auf die blinden Flecke aufmerksam machen soll. Das bestehende Muster wird durch den Parasiten erkannt und in Frage gestellt und muss sich neu umgestalten, um seine Gültigkeit zu erhalten. Ein prägnantes Beispiel liefert Ruppe Koselleck mit seinen „Parasitären Publikationen“ (www.koselleck.de, 30.03.2018 zit.in ebd., 151), bei denen er zwischen die normativen Frauenbilder, die das Möbelhaus IKEA zur Dekoration der Möbel nutzt, Bilder von kahlen Männerköpfen, auf denen ein Schnitzel liegt, aufstellte. Erst so wurde bei den Besuchern Aufmerksamkeit für das verbindende Muster sowie für die genutzten Klischees, der immer gleichen und dem westlichen Schönheitsideal entsprechenden Frauenabbildungen erzeugt (vgl. Kolhoff-Kahl 2009, 151). Wie sich ein Infekt auswirkt, liegt sowohl an der Beschaffenheit des Empfängers, sowie des Parasiten und in wie weit die „Möglichkeit des Andockens oder Einnistens besteht“ (ebd.). Es gilt, die ästhetischen Muster der Zielgruppe möglichst gut zu treffen, damit ihnen der Parasit überhaupt auffällt und sie irritieren kann. (vgl. Kolhoff-Kahl 2009, 149-153)

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